Europarat allgemein
Der Europarat ist Europas führende Organisation auf dem Gebiet der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Die Organisation wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Ziel gegründet, die Stabilität und Zusammenarbeit auf dem europäischen Kontinent zu verstärken und Kriege zu verhindern, indem man sich auf gemeinsame Werte besann. Dem Europarat gehören 46 Mitgliedsstaaten und fünf Beobachterstaaten an. Derzeit läuft ebenfalls das Prüfungsverfahren zu einer möglichen Mitgliedschaft der Republik Kosovo im Europarat.
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Aufbau / Struktur
Was ist das Ministerkomitee?
Das Ministerkomitee ist das zentrale Entscheidungsgremium des Europarates. So verabschiedet es etwa das Budget des Europarates und überwacht die Umsetzung von EGMR-Urteilen in den Mitgliedsstaaten. Es setzt sich aus den Aussenministerinnen und Aussenministern der Mitgliedsstaaten zusammen. Das Komitee tagt einmal im Jahr auf Ministerebene und wöchentlich auf Ebene der Stellvertreterinnen und Stellvertreter (Ständige Vertretungen beim Europarat), um spezifische Themen zu diskutieren und zu prüfen. Die Stellvertreterinnen und Stellvertreter der Ministerinnen und Minister werden von einem Präsidium, einem Sekretariat, Berichterstattergruppen, thematischen Koordinatoren und Ad-hoc-Arbeitsgruppen unterstützt, die allerdings über keine eigene Entscheidungsbefugnis verfügen.
Was ist die Parlamentarische Versammlung des Europarats (PACE)?
Die Parlamentarische Versammlung besteht aus 306 Delegierten der Parlamente der Mitgliedsstaaten des Europarats. Als beratendes Organ des Europarats verabschiedet die PACE Resolutionen und Empfehlungen zuhanden des Ministerkomitees. Zudem wählen die Mitglieder unter anderem die Generalsekretärin bzw. den Generalsekretär, die stellvertretende Generalsekretärin bzw. den stellvertretenden Generalsekretär, die Menschenrechtskommissarin bzw. den Menschenrechtskommissar und die Richterinnen und Richter am EGMR.Gemäss der Grundsatzung hat die Parlamentarische Versammlung weiters folgende Befugnisse:
- Handlungsaufforderung an 46 europäische Regierungen erteilen, die gemeinsam antworten müssen.
- Untersuchungen durchführen, um neue Fakten zu Menschenrechtsverletzungen aufzudecken.
- Befragung von Präsidentinnen und Präsidenten bzw. Premierministerinnen und Premierminister zu jedem Thema ihrer Wahl.
- Wahlen beobachten und Delegationen zur Vermittlung in Krisenherden entsenden.
- Die Bedingungen für den Beitritt von Staaten zum Europarat aushandeln.
- Anregung neuer nationaler Gesetze durch Vorschläge und Stellungnahmen zu Verträgen.
- Einholung von Rechtsgutachten zu den Gesetzen und Verfassungen der Mitgliedsstaaten.
- Sanktionen gegen einen Mitgliedstaat verhängen, indem sie dessen Ausschluss oder Suspendierung empfiehlt.
Liechtenstein wird vertreten durch die Landtagsabgeordneten Franziska Hoop, Peter Frick, Hubert Büchel (StV) und Thomas Hasler (StV).Was ist der Kongress der Gemeinden und Regionen?
Der Kongress berät das Ministerkomitee und die Parlamentarische Versammlung in allen Fragen der Gemeinde- und Regionalpolitik. Die vielfältigen Aktivitäten des Kongresses umfassen u.a. das Beobachten lokaler und regionaler Wahlen, die Setzung von Standards zum Schutz der Rechte von Gemeinden und das Überprüfen der Implementierung von Empfehlungen und Resolutionen sowie die Umsetzung von EGMR-Gerichtsurteilen auf lokaler Ebene. Der Kongress der Gemeinden und Regionen setzt sich aus Vertreterinnen und Vertreter der Gemeinden, Städte und Regionen der Mitgliedstaaten des Europarats zusammen.
Liechtenstein wird in diesem Gremium durch zwei Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter repräsentiert.Was ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)?
Der 1959 errichtete Strassburger Gerichtshof stellt die Einhaltung der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) von 1950 sicher. Seit 1998 ist der EGMR ein ständig tagender Gerichtshof, an den sich Personen wenden können, die behaupten, ein Europaratsmitgliedsstaat habe ihre Grundrechte gemäss EMRK verletzt. Jeder Mitgliedsstaat wird am Gericht durch eine Richterin bzw. einen Richter vertreten, wodurch derzeit 46 Richterin und Richter am EGMR arbeiten. Nachdem jedes Land eine Liste mit drei Kandidaturen vorschlägt, wählt die PACE die Richterinnen und Richter für eine nicht erneuerbare Amtszeit von neun Jahren.
Die Möglichkeit, dass ein internationales Gericht rechtlich bindende Urteile über Menschenrechtsverletzungen durch Staaten fällt, ist weltweit einzigartig. Neben diesem Individualbeschwerderecht, durch das die meisten Fälle an den Gerichtshof gelangen, gibt es auch die Möglichkeit von Staatenbeschwerden. Die Umsetzung von Urteilen wird durch das Ministerkomitee des Europarats überwacht.Der EGMR urteilt über Verletzungen der Grundrechte aus der EMRK, etwa dem Recht auf ein faires Verfahren oder die Meinungsäusserungsfreiheit. Seit Liechtensteins Beitritt haben zehn Personen von diesem Recht Gebrauch gemacht und ein Urteil erhalten. Der EGMR hat in acht dieser Fälle festgestellt, dass Liechtenstein ein Grundrecht verletzt hat. In zwei Fällen wurde keine Grundrechtsverletzung festgestellt. Es veranschaulicht, dass was politisch klingt, direkte Einflüsse auf unsere Bevölkerung hat.
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Konventionen
Was ist die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)?
Die EMRK ist ein Vertrag von 1950, der die Mitgliedsstaaten des Europarates an die Einhaltung von gemeinsamen Grund- und Menschenrechten bindet. Die Konvention ist in ihrer Form und ihrem Umfang einzigartig und spielt eine essenzielle Rolle in der Förderung der Menschenrechte, dem Schutz der demokratischen Grundprinzipien und der rechtsstaatlichen Ordnung in Europa. Alle Einwohnerinnen und Einwohner eines Mitgliedsstaates können sich auf diese Rechte berufen und sie letztinstanzlich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einfordern.Welche anderen Europaratskonventionen gibt es?
Insgesamt gibt es über 200 Europaratskonventionen über die unterschiedlichsten Menschenrechtsthemen. Liechtenstein hat 91 davon unterzeichnet und ratifiziert. Die Übersicht über die verschiedenen Konventionen ist hier zu finden. Unter den Konventionen gibt es ausserdem verschiedene, für Liechtenstein relevante Expertenkomitees. -
Expertenkomitees
Der Europarat kennt zu verschiedenen Themen Expertenkomitees und Vertragsüberwachungsgremien. Rund 50 Expertinnen und Experten aus Liechtenstein arbeiten in diesen Komitees mit anderen Staatenvertreterinnen und Staatenvertretern zusammen. Bei den Expertinnen und Experten handelt es sich entweder um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung oder um externe Personen, die unabhängig sind. Nachstehend sind beispielhaft einige Expertengruppen genannt.
GREVIO (Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt)
Das Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt von 2011, die sogenannte Istanbul Konvention, ebnet den Weg für die Schaffung eines Rechtsrahmens auf gesamteuropäischer Ebene zum Schutz von Frauen vor allen Formen von Gewalt. Die Konvention stützt sich auf vier Säulen:
- Prävention von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt
- Schutz vor Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt
- Verfolgung und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt
- Koordinierung von gesetzlichen und anderen Massnahmen unter den Mitgliedsstaaten.
GREVIO ist das unabhängige Expertengremium, das seit 2015 für die Überwachung der Umsetzung der Istanbul-Konvention durch die Vertragsparteien zuständig ist. Dazu erstellt und veröffentlich GREVIO Berichte, in denen die Massnahmen des Mitgliedsstaates bewertet werden. In schwerwiegenden Fällen kann GREVIO ein besonderes Untersuchungsverfahren gegen einen Mitgliedsstaat einleiten und gegebenenfalls auch Empfehlungen zu Themen und Konzepten des Übereinkommens abgeben. Liechtenstein hat die Istanbul-Konvention am 17. Juni 2021 ratifiziert.
Zum ersten Liechtensteiner Staatsbericht
Allgemeine Informationen zu GREVIO
MONEYVAL (Bekämpfung von Geldwäsche)
MONEYVAL ist ein ständiges und seit 2011 unabhängiges Überwachungsgremium des Europarats. Es hat die Aufgabe, die Einhaltung der wichtigsten internationalen Normen zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung sowie die Wirksamkeit ihrer Umsetzung zu bewerten. Zudem gibt es den nationalen Behörden Empfehlungen zu notwendigen Verbesserungen in ihren Systemen. Mit dynamischen Prozessen werden regelmässig die Fortschritte überprüft und Empfehlungen zur Verbesserung der nationalen Kapazitäten der Behörden abgegeben.
Zum Bericht zu Liechtenstein zur fünften Evaluierungsrunde
Allgemeine Informationen zu Moneyval
GRECO (Bekämpfung von Korruption)
Die Expertengruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) verfolgt das Ziel, die Fähigkeit der Staaten zur Korruptionsbekämpfung auf nationaler wie internationaler Ebene zu verbessern. In seinem multidisziplinären Ansatz hat der Europarat vielseitige Rechtsinstrumente entwickelt, die sich mit dem Thema Korruption befassen. GRECO beschäftigt sich mit der Überwachung dieser Normen und leistet weiter einen wichtigen Beitrag im Ausbau der nationalen Kapazitäten und technischer Kooperationsprogramme zur Korruptionsbekämpfung. Die Mitgliedsstaaten überprüfen gegenseitig die Umsetzung von Empfehlungen und Abkommen im Korruptionsbereich und verabschieden Evaluations- und Umsetzungsberichte.
Zum Umsetzungsbericht der vierten Evaluationsrunde
Allgemeine Informationen zu GRECO
ECRI (Kampf gegen Rassismus)
Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) ist ein 1993 gegründetes, einzigartiges Expertengremium, das Massnahmen gegen Rassismus, Diskriminierung und Intoleranz in Europa überwacht. ECRI befasst sich mit den Phänomenen von Rassismus, Diskriminierung und Intoleranz, die struktureller oder allgemeiner Natur sind und arbeitet dafür mit national und international relevanten Organisationen und Akteuren der Zivilgesellschaft zusammen. Die Aktivitäten umfassen Länderbeobachtungen, thematische Arbeiten und die Arbeit mit der Zivilgesellschaft. Für individuelle Beschwerden ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zuständig.
Zum fünften Bericht zu Liechtenstein und zur Schlussbemerkungen des Ausschusses Allgemeine Informationen zu ECRI
GRETA (Bekämpfung von Menschenhandel)
GRETA hat 2009 seine Arbeit als Expertengruppe zur Bekämpfung des Menschenhandels und die Überwachung der Umsetzung des ihr zugrunde liegenden Übereinkommens des Europarates aufgenommen. Dafür führt GRETA Besuche durch und erstellt Länderberichte, in denen die Massnahmen der Mitgliedsstaaten zur Umsetzung der Bestimmungen des Übereinkommens bewertet werden.